Giebel am Historischen Rathaus

Landsberg und das Gefängnis

Ab 1920 wurde in der Gefangenenanstalt Landsberg am Lech eine besondere Form der Haftstrafe, die “Festungshaft', vollzogen. Den Festungshäftlingen wurde eine ehrenhafte Gesinnung zugebilligt, daher sprach man von einer “Ehrenhaft”. Die Festungshaft ist eine nicht entehrende Strafe ('custodia honesta') ohne Arbeitszwang. Festungshaft ersetzte sowohl Zuchthaus als auch Gefängnis und wurde wahlweise mit diesen beiden Strafen bei einer Reihe politischer Straftaten verhängt. Ein bekanntes Beispiel neben Hitler ist Anton Graf von Arco-Valley. Dieser erschoss am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Graf Arco wurde zunächst vom Volksgericht München I zum Tode verurteilt, am nächsten Tag zu Festungshaft begnadigt, die er von Januar 1920 bis Mai 1924 in Landsberg verbüßte. Nach dem Hitlerputsch wurde der zu fünf Jahren Festungshaft verurteilte Adolf Hitler am 11. November 1923 in den “Festungsbau” eingeliefert. Hitler schrieb während der Haft den ersten Teil seines Buches “Mein Kampf”. Gleichzeitig verbüßten weitere frühe NS-Mitglieder hier ihre Haftstrafen. Bis 1924 saßen insgesamt 38 Nationalsozialisten als Festungshaftgefangene ein, darunter auch Rudolf Hess und Julius Streicher. Hitler wurde am 20. Dezember 1924 entlassen. Nach der “Machtergreifung” wurde die Landsberger Gefangenenanstalt insbesondere für die Hitlerjugend zur “Festung Landsberg” stilisiert.

Bei Kriegsende 1945 saßen in der für ca. 500 Gefangene gebauten Anstalt ca. 1.800 Häftlinge ein. Die ersten in den “Dachauer Prozessen” verurteilten Kriegsverbrecher wurden im Dezember 1945 nach Landsberg gebracht, erste Hinrichtungen fanden statt. Im Lauf des Jahres 1946 übernahmen die Amerikaner den gesamten Gefängniskomplex, Zivilgefangene wurden verlegt; offiziell wurde das War criminal Prison No. 1 Landsberg (WCPL) im Dezember 1946 eingerichtet. Bewacht wurde das Gefängnis von Soldaten der polnischen Wachkompanie, oft ehemaligen polnischen Displaced Persons (Verschleppte), die in die US-Armee aufgenommen worden waren. Auch deutsche Bedienstete gehörten zum WCPL, neben Schreibkräften beispielsweise einige Leiter von Gefängniswerkstätten und die Gefängnisgeistlichen. Ärzte des städtischen Krankenhauses versorgten die Gefangenen.Der Tod der hingerichteten Kriegsverbrecher wurde im Landsberger Standesamt beurkundet und in der lokalen Presse darüber berichtet. Nach offizieller Statistik der US-Gefängnisverwaltung saßen von 1945 bis 1958 insgesamt 1659 Personen in Haft. Bis 1951 wurden 279 Männer durch den Strang und 29 durch Erschießen hingerichtet. Sofern die Hingerichteten nicht überführt wurden, bestattete man sie auf dem Friedhof der Spöttinger St. Ulrichskirche, der sich bis heute auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt befindet.

Die Kriegsverbrecher wurden in drei Gruppen eingeteilt:
1. Verurteilte aus den Nürnberger Prozessen (hohe Wehrmachtsführer, Ministerialbeamte, Wirtschaftsfachleute, Industrielle, Professoren u. ä.)
2. Verurteilte aus den Dachauer Prozessen (SS-Führer der Einsatzgruppenkommandos zur Erschießung von Juden, KZ-Führer und KZ-Aufseher, Kapos, Polizei, Parteifunktionäre, die für die Erschießung von alliierten Fliegern verantwortlich gemacht wurden.
3. Verurteilte aus dem Malmedy-Prozess (SS-Leibstandarte Adolf Hitler), von denen alle im Lauf von 10 Jahren freigelassen wurden, sämtliche Todesurteile wurden umgewandelt.

Je länger sich die Hinrichtungen hinzogen, desto lauter wurden auch die Stimmen, die ein Ende der Hinrichtungen forderten. Für Gnadengesuche gab es ein breites politisches Bündnis. Im November 1950 veröffentlichten alle Parteien von Stadt und Kreis Landsberg eine Resolution mit der Bitte um Gnade für die Kriegsverbrecher.

Am 7. Januar 1951 sprachen die Bundestagsabgeordneten Dr. Richard Jäger (CSU) und Dr. Seelos (BP) sowie Landtagsabgeordnete beider Parteien auf einer Kundgebung auf dem Landsberger Hauptplatz. Bei dieser Demonstration fanden sich mehrere tausend Menschen ein. Die Kundgebung endete im Eklat, als jüdische DPs aus dem Lager Lechfeld eine Gegendemonstration zum Gedenken der Opfer abhielten. Bei aller Anteilnahme der Bevölkerung für die Täter gab es keine Bemühungen um die Opfer des Nationalsozialismus. Am 31. Januar 1951 entschieden John McCloy, der amerikanische Hochkommissar, und General Thomas T. Handy, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa, über die Gnadengesuche. Noch sieben Kriegsverbrecher wurden in Landsberg hingerichtet, eine Reihe prominenter Häftlinge - zum Beispiel Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Wilhelm Speidel - bereits 1951 gnadenhalber entlassen.

Die amerikanischen Behörden lösten das War Criminal Prison am 9. Mai 1958 auf und gaben die Einrichtung an die bayerische Justiz zurück. Seit 1959 dient sie als Justizvollzugsanstalt für erstmals bestrafte männliche Strafhäftlinge.

Auf dem Spöttinger Friedhof sind Kriegsverbrecher neben Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und weiterer Verstorbener verschiedener Glaubensbekenntnisse bestattet. Seit 22. Januar 2003 ist dieser Friedhof vom Freistaat Bayern entwidmet. Für kontroverse Diskussionen sorgte die Entfernung der Namen auf den Grabkreuzen. Der Landsberger Stadtrat hat sich in der Sitzung am 29. Januar 2003 dafür ausgesprochen, den Friedhof in seiner jetzigen Form als Denkmal der Zeitgeschichte zu belassen. Gräber von NS-Opfern sind rechtlich besonders geschützt. Im Landsberger Gefängnis starben in den letzten Kriegsjahren viele Häftlinge an Hunger und mangelnder medizinischer Versorgung. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 17. Mai 1945 sind allein 91 Opfer nachgewiesen. Es sollen nach einer Zeugenaussage insgesamt Hunderte gewesen sein. Die Opfer wurden auf dem Gefängnisfriedhof beigesetzt. Nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) vom 1. 7. 1965 (BGBl. I S. 589) i. d. F. der Bekanntmachung vom 29. Januar 1993 (BGBl. I S. 178) haben die Länder die in ihrem Gebiet liegenden Gräber von NS-Opfern zu erhalten.

Das Stadtarchiv sammelt neben dem Schriftgut aus der Stadtverwaltung auch Literatur über Landsberg und Zeugnisse aus der Geschichte Landsbergs aus privater Hand. Bitte melden Sie sich bei uns, wenn Sie uns Briefe, Fotos oder andere Unterlagen mit Landsberger Bezug überlassen möchten.

Text: Elke Müller